Im Oktober des Jahres 1975 öffnet das Elektronische Studio Basel zum ersten Mal seine Pforten. Nach langjähriger Vorarbeit und teilweise gegen den Widerstand einiger Kollegen im Stiftungsrat der Musik-Akademie, schafften es Friedhelm Döhl (damaliger Leiter der Musik-Akademie Basel, MAB) und Gerald Bennett (damaliger Leiter des Konservatoriums) das erste elektronische Studio an einer Ausbildungsinstitution in der Schweiz ins Leben zu rufen. Mit der Leitung wurde David Johnson beauftragt.


Zur ersten, noch bescheidenen Ausstattung gehörte ein ARP 2600 Synthesizer, einige Lautsprecher und zwei Bandmaschinen von Revox. Unter den ersten Studierenden, die damals die Möglichkeiten des neugegründeten Studios - damals noch ein einzelner, «kahler Raum von vielleicht sechzehn Quadratmetern» (1) - begannen auszuloten, war Daniel Weissberg, später langjähriger Leiter des Studiengangs Sound Arts an der Hochschule der Künste in Bern.

Kurze Zeit später, Anfang 1976 folgte der Umzug an die Mittlere Strasse 55, in ein Haus mit mehreren Altbauwohnungen, das von der MAB zugemietet wurde. Im gleichen Gebäude befand sich die Opernschule und das Studio für aussereuropäische Musik.


«Das Studio verfügte über einen Regieraum, einen Aufnahmeraum, einen Lagerraum und einen Raum, der als Werkstatt und Büro diente. David war Leiter, Techniker und Sekretär in Personalunion», erinnert sich Daniel Weissberg an diese frühen, pragmatischen Zeiten. (2)

David Johnson war Anfang der 70er Jahre freier Mitarbeiter beim WDR in Köln und assistierte Karlheinz Stockhausen bei der Arbeit bzw. der Aufführung einiger seiner Kompositionen. Er war zudem bei der Gündung der Band Can (um Holger Czukay und Irmin Schmidt) beteiligt und Mitbegründer des Kölner Feedback Studios (gemeinsam mit Johannes Fritsch und Rolf Gehlhaar).

Das Elektronische Studio war in dieser Zeit ein Ort des Experimentierens für alle, die sich für elektronische Komposition und Klangformung interessierten, und kam ohne festen Lehrplan und Ausbildungsprogramm aus.

«Ich habe immer versucht möglichst viele Türen offenzuhalten, auch wenn ich so durch keine davon richtig hindurchgegangen bin», sagte David Johnson dazu. (3)

In dieser frühen Zeit wurden bereits zahlreiche Werke realisiert und zur Aufführung gebracht, darunter Arbeiten von Johnson, Weissberg, Holliger u.a. Dies waren zumeist Tonbandkompositionen, teilweise auch als Zuspielbänder konzipiert oder Werke für Mikrophone, Tonbandschlaufen und Rückkopplungen. Und obwohl der ARP Synthesizer sich anfangs kaum in diesen Arbeiten wiederfindet, so ist er doch eines der wenigen Instrumente, das all die Jahre überdauert hat und auch heute noch zum Inventar des ESB gehört und sich mittlerweile einer grossen Beliebtheit erfreuen kann.

Ergänzend zum eigenen praktischen Schaffen mit den Geräten und der Technik wurden immer wieder Themenwochen mit Vorträgen und Workshops rund um die Elektronische Musik abgehalten, unter anderem von Vinko Globokar, Mauricio Kagel, Bruno Spoerri, Gottfried Michael König und Thomas Kessler.


Mitte der 1980er Jahre konnte der Hauptstandort der Musik-Akademie durch den Umbau der Räumlichkeiten der ehemaligen Druckerei Böhm um einen neuen Trackt erweitert werden. Rudolf Kelterborn und Gerhard Hildenbrand waren die treibenden Kräfte, dass dabei das Elektronische Studio ins Zentrum der Musik-Akademie integriert wurde.

Thomas Kessler war bei der Planung und Konzeption der neuen Studios federführend und wurde durch Ernst Neukomm, einen erfahrenen Audio-Techniker vom Schweizer Radio DRS, unterstützt. Die Räumlichkeiten, in denen das ESB heute noch residiert, wurde im Dezember 1986 bezogen. Thomas Kessler löste David Johnson als Leiter des Studios ab. Als Mitarbeiter konnten Ernst Neukomm und Jürg Jeklin gewonnen werden.


Unter Kessler bekam das Studio eine klarere Orientierung in Richtung Live-Elektronik. Das Festival ‘Tage für live-elektronische Musik’ wurde Anfang der 90er Jahre zusammen mit der Internationalen Gesellschaft für Neue Musik (IGNM) ins Leben gerufen und später mit dem Namenszusatz ‘Echt!zeit’ über viele Jahre weitergeführt.

Die Digitalisierung der Audiotechnik war in dieser Zeit bereits in vollem Gange. Für das Elektronische Studio bedeutete das, dass sich neben der hochqualitativen, analogen Gerätschaft, bestehend aus einer grossen Mischkonsole und einer 24-Spur-Tonbandmaschine von Studer, modularen Synthesizern von ARP, EMS und Roland etc., zunehmend auch digitale Geräte bzw. Computer im Studio wiederfanden. So konnten im Laufe der Jahre ein Harmonizer H3000 von Eventide, ein Publison DHM-89B2 Pitch-Shifter, einige Hallgeräte von Lexicon, diverse AKAI-Sampler, ein ProTools Harddiskrecording-Sytem und eine MARS-Workstation angeschafft werden.

Diese neuen Geräte erweiterten die Möglichkeiten der klanglichen Bearbeitungen enorm und veränderten die Arbeitsweise im Studio und bei der Aufführung in Konzerten ganz grundlegend. Mit der zunehmenden Digitalisierung wuchs aber auch die technische Komplexität im Umgang mit diesen Maschinen.


Das Vorhaben, einen eigenen spezialisierten Studiengang am Elektronischen Studio zu etablieren, wurde 1995 umgesetzt. Die Idee war, eine Ausbildung zu kreieren, die sowohl technische als auch künstlerische Fähigkeiten auf hohem Niveau vereint - der Studiengang Audiodesign war geboren. Tatsächlich stellte dieser Vorstoss für die Musik-Akademie Basel für lange Zeit ein Alleinstellungsmerkmal in der europäischen Hochschullandschaft dar.

Hauptverantwortlich für den neuen Studienbetrieb war Wolfgang Heiniger. Der Bereich Audiotechnik wurde von Robert Hermann, Tonmeister am Theater Basel, und Ernst Neukomm (DRS) übernommen. Weitere Kurse wurden von Małgorzata Albińska-Frank sowie Daniel Weissberg unterrichtet.

In den folgenden Jahren entstand eine stimulierende und vom Austausch geprägte Atmosphäre zwischen den Fachklassen für elektronische Komposition und Audiodesign, sowie interessierten Studierenden anderer Klassen und externen Gästen. Der Produktions- und Aufführungsbetrieb wurde durch Werke von Jacques Wildberger, Thomas Kessler, Wolfgang Heiniger, Giorgio Tedde, Junghae Lee, Daniel Almada und vielen weiteren vorangetrieben. In Zusammenarbeit und im regen Austausch mit Heinz Holliger wurden auch neue (digitale) Versionen seiner Werke Cardiophonie und Not I realisiert.

Über die Jahre arbeiteten zahlreiche hochkarätige Gäste am ESB in Basel und bereicherten das Unterrichtsangebot mit Vorträgen und Workshops; unter ihnen waren Herbert Brün, Don Buchla, Messias Maiguashca, Philippe Manoury, Jean-Baptiste Barriere, John Chowning, Trevor Wishart, Folkmar Hein, Judy Klein, Hans Tutschku und Ludger Brümmer.

Nach der Pensionierung von Thomas Kessler im Jahr 2000 gab es ein kurzes Gastspiel von Hanspeter Kyburz, der zusammen mit Wolfgang Heiniger die neue Studioleitung stellte. Neu brachte Kyburz sein starkes Interesse und Expertentum im Bereich der algorithmischen Komposition ins Kursangebot des Studios ein. Das Team um Kyburz und Heiniger zog jedoch nur kurze Zeit später gemeinsam nach Berlin weiter, was einen erneuten Einschnitt in die bewegte Geschichte des Studios in dieser Zeit bedeutete.


Nach einer interimistischen Periode, die hauptsächlich von Gastkursen geprägt war, wurde 2003 Erik Oña als neuer Studioleiter vorgestellt. Oña ist damals bereits ein renomierter Dirigent und Komponist von instrumentaler sowie elektro-akustischer Musik und war zuletzt im Team von Jonty Harrison an der Birmingham University tätitg gewesen. Die Betreuung des Bereichs Audiodesign übernimmt Volker Böhm. 2006 veranstalten sie gemeinsam das Festival ‘realtime - non-realtime’, mit zahlreichen Gästen, u.a. werden Miller Puckette und David Zicarelli eingeladen, sowie Jonty Harrison und das Birmingham ElectroAcoustic Sound Theater (BEAST).

Festival-Titel und -Programm stehen sinnbildlich auch für die neue Ausrichtung des Studios, in der Studio-Produktionen, akusmatische Musik sowie Live-Elektronik gleichermassen beleuchtet und praktiziert werden. Spätere Austragungen des Festivals - dann unter dem neuen Namen ‘dBâle Electronic Music Festival’ - erweitern das Spektrum und den Output des Studios um Themenfelder wie elektronische Musik mit DIY-Instrumenten, Improvisationen mit intelligenten, computergestützten Systemen und der Frage nach der Überlappung von kreativem Sound-Design und akusmatischer Komposition.

Die frühen 2000er Jahre sind auch die Geburtsstunde der Konzertreihe ‘Nachtstrom’, die gemeinsam mit Gare du Nord - Bahnhof für Neue Musik - gestartet wird und in der bis heute weit über 100 Konzerte mit nationalen und internationalen Gästen veranstaltet wurden und weiterhin werden.

Der allgemeine Raummangel innerhalb der MAB wird auch für das Elektronische Studio zunehmend zum Problem. Infolgedessen wird ein ehemaliger Seminarraum, der sich neben dem Büro des Elektronischen Studios befindet, zu einem kleinen Mehrkanalstudio umgebaut. Im Erdgeschoss wird ein ehemaliger Instrumental-Unterrichtsraum zum Studio 3 für das ESB umfunktioniert. Dieser ist mit einem Flügel und Tageslicht ausgestattet (keine Selbstverständlichkeit für einen Studioraum) und dient ab sofort als Probenraum für rein elektronische, sowie live-elektronische Setups.

Neben zahlreichen Gastkursen u.a. von Françoise Barrière, Michel Chion, Horacio Vaggione und Fred van der Kooij, wird unter Oñas Leitung auch die Tradition der Residenzen für Gastkomponisten und -komponistinnen fortgesetzt. So stellte beispielsweise Jonty Harrison sein akusmatisches Werk Internal Combustion am ESB fertig, ebenso wie David Berezan seine grossformatige Arbeit Ting, die von Klangaufnahmen der kinetischen Skulpturen von Jean Tinguely inspiriert ist, in Basel realisiert und uraufführt.

Ende 2018 erkrankt Erik Oña schwer und verstirbt im September 2019 im Alter von nur 57 Jahren. Dieses völlig unerwartete Ereignis stellte neben dem grossen Verlust erneut einen empfindlichen Einschnitt in die Kontinuität der Arbeit des Elektronischen Studios und seines Ausbildungsangebotes dar. In der Folgezeit wird das Studio interimistisch von Volker Böhm geleitet.

Nach einer Zeit der Umstrukturierung und Neuausrichtung startet im September 2021 schliesslich ein neues Leitungsteam bestehend aus Svetlana Maraš und Volker Böhm.

(1) Daniel Weissberg: Das elektronische Studio der Musik-Akademie Basel. In: Bruno Spoerri (Hg.): Musik aus dem Nichts. Die Geschichte der elektroakustischen Musik in der Schweiz. Chronos, Zürich 2010
(2) ebenda
(3) ebenda

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